Verzeigung § Definition, Ablauf, Konsequenzen
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- Unter einer Verzeigung versteht man den Vorgang, bei dem die Polizeibehörde oder Staatsanwaltschaft über ein verübtes Vergehen informiert wird.
- Zu einer Verzeigung kommt es nach einem Gesetzesverstoss, der durch einen Blitzer oder eine Polizeikontrolle entdeckt wird.
- Meist ist die Überschreitung eines Tempolimits der Grund für eine Verzeigung.
- Grundsätzlich kann binnen einer Frist von zehn Tagen nach Einlangen des Briefs mit dem Strafbefehl Einspruch erhoben werden.
Rechtliche Grundlage zur Verzeigung
Die Grundlagen für Verstösse und damit auch Verzeigungen bildet natürlich das Schweizer Verkehrsrecht bzw. das Strassenverkehrsgesetz (SVG).
Auch eine Medienmitteilung der Konferenz der Strafverfolgungsbehörden der Schweiz (KSBS) aus dem Jahr 2013 hat Relevanz für die Einteilung der Schweregrade der Geschwindigkeitsüberschreitungen. Auch die jeweiligen Bussen und Strafen sind im SVG festgelegt, insbesondere im Artikel 16.
Aber auch das Strafgesetzbuch der Schweiz (StGB) kann bei Verstössen zur Anwendung kommen, beispielsweise Artikel 34 StGB ff. bei Geldstrafen und Artikel 42 bei der Bemessung der Strafe. Die für das Erheben eines Einspruchs gegen die Verzeigung relevante Zustellfiktion wird im BGE (Schweizerisches Bundesgericht) 146 IV 30 geregelt und auch BGer 6B_674/2019 betrifft den Einspruch.
Definition der Verzeigung
Unter einer Verzeigung versteht man den Vorgang, bei dem die Polizeibehörde oder Staatsanwaltschaft über ein verübtes Vergehen informiert wird. Viele kennen die Verzeigung auch als Anzeige, Meldung oder Beschuldigung. Die „Anzeige“ ist dabei besonders gängig und wird auch im aktuell geltenden Strassenverkehrsgesetz der Schweiz verwendet.
Wann kommt es zu einer Verzeigung?
In der Regel kommt es dann zu einer Verzeigung, wenn die Tempolimits der Schweiz von einem Verkehrsteilnehmer deutlich bzw. stark überschritten werden. Dazu ist es wichtig zu wissen, welche Höchstgeschwindigkeiten auf den jeweiligen schweizerischen Strassen gelten:
- innerorts: 50 Kilometer pro Stunde
- ausserorts: 80 Kilometer pro Stunde
- Autostrassen: 100 Kilometer pro Stunde
- Autobahnen: 120 Kilometer pro Stunde
Werden diese Geschwindigkeiten überschritten, kommt es je nach Höhe der Überschreitung entweder zu einer Geldbusse oder zu einer Verzeigung mit zusätzlichen Geldbussen. Im schlimmsten Fall droht sogar ein Führerscheinentzug. Grundsätzlich ist mit einer Verzeigung zu rechnen, wenn die Geschwindigkeitsüberschreitung folgende Höhe erreichen:
- innerorts: ab 16 Kilometern pro Stunde zu schnell
- ausserorts: ab 21 Kilometern pro Stunde zu schnell
- Autostrassen: ab 21 Kilometern pro Stunde zu schnell
- Autobahnen: ab 25 Kilometern pro Stunde zu schnell
Bei sehr schweren Geschwindigkeitsüberschreitungen wird die Verkehrsregelverletzung zusätzlich ins Strafregister eingetragen und bleibt dort für eine bestimmte Zeitspanne ersichtlich.
Wie kommt es zur Verzeigung?
Durch Kontrollen der Polizei kann ein Verstoss gegen die Verkehrsordnung festgestellt werden. Die Polizei ist dabei jederzeit dazu berechtigt, eine allgemeine Verkehrskontrolle durchzuführen, auch wenn keine offensichtliche Regelverletzung ersichtlich ist. Es kann also sein, dass auch unauffällige Autofahrer aufgehalten und kontrolliert werden. Bei diesen Kontrollen kann also nicht nur die Einhaltung der geltenden Geschwindigkeitsgrenzen kontrolliert werden, sondern auch, der Fahrzeugzustand, der Führerschein oder andere gesetzliche Regelungen, die es zu berücksichtigten gibt.
Um eine Überschreitung des Tempolimits festzustellen und auch nachzuweisen zu können, kommen hauptsächlich Blitzer zum Einsatz. Davon gibt es in der Schweiz 4.300 Stück, wobei die meisten davon in den Städten Zürich, Schaffenhausen und Luzern stehen. Diese Geräte zur Geschwindigkeitsüberprüfung werden von der Verkehrskontrollabteilung betrieben und dienen darüber hinaus auch zum Zwecke der Abgas- und Lärmminderung in Wohngebieten.
Was tun bei Verzeigung?
Wird bei einer Polizei-Kontrolle ein Verstoss gegen das Gesetz festgestellt, so verfasst der Polizist einen schriftlichen Bericht, in dem die Kontrolle aus Sicht der Polizei mit Text und Bildern dokumentiert wird. Sollte der Kontrollierte Aussagen gegenüber der Polizei gemacht haben, so werden diese ebenfalls im Bericht festgehalten. Dieser „Rapport“ ist für das spätere Verfahren von grosser Bedeutung und für die Staatsanwaltschaft und das Gericht ein wichtiges Dokument. Je mehr Aussagen vor der Polizei gemacht werden, desto grösser ist die Gefahr, sich selbst zu belasten oder eine ungenauere Berichterstattung auszulösen. Solche Ungenauigkeiten könnten später nachteilig sein.
Nachdem der Bericht verfasst wurde, wird er an die Staatsanwaltschaft oder das zuständige Amt weitergeleitet. Der Kontrollierte, der gegen das Gesetz verstossen hat, wird „zuhanden der zuständigen Behörde verzeigt“, also die Staatsanwaltschaft über die Polizeikontrolle und die vorgeworfene angebliche Straftat informiert. Nach der Mitteilung einer Verzeigung bzw. Berichterstattung ist es wahrscheinlich, dass die zuständige Strafbehörde gegen den „Täter“ ein Strafverfahren eröffnet.
In den meisten Fällen erfahren die Betroffenen leider nicht, ob oder wann dies geschieht. Im Polizeibericht findet sich ein Abschnitt, dass die Rapporterstattung oder Verzeigung eröffnet wurde. Dies bedeutet allerdings nur, dass die Polizei dem Betroffenen mitgeteilt hat, dass diese die Staatsanwaltschaft mit dem Bericht informieren wird. So ist es möglich, dem „Täter“ zu unterstellen, dass er von einem noch nicht einmal eröffneten Strafverfahren Kenntnis hat, was unter Umständen erhebliche Konsequenzen haben kann.
Das Strafverfahren zur Verzeigung
Da Strafverfahren grundsätzlich möglichst effizient abgewickelt werden sollen, werden über 90 % aller Verfahren in der Schweiz, in denen es zu einer Bestrafung kommt, mit einem sogenannten Strafbefehl abgeschlossen. Der Strafbefehl ist als eine Art Urteilsvorschlag zu werten, bei dem der Verzeigte mit einer Busse, einer Geldstrafe oder auch mit bis zu sechs Monaten Gefängnis bestraft werden kann.
Ein Strafbefehl kann von der Staatsanwaltschaft, dem Statthalteramt oder dem Stadtrichteramt nach einer Verzeigung bereits dann erlassen, wenn sie nach Durchsicht des Polizeiberichts und dem Bezug weiterer Akten von der Schuld des Betroffenen überzeugt sind. In den meisten Fällen enthält ein Bericht bereits alle Informationen, welche die Strafbehörde für diese Einschätzung benötigt. Daher ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Verstoss mit einem Strafbefehl abgestraft wird, ohne dem Beschuldigen jemals die Möglichkeit gegeben zu haben, seine Sicht schildern zu können, relativ hoch.
Kosten beim Strafbefehl nach Verzeigung
Die Kosten, die durch einen Strafbefehl für den Beschuldigten entstehen, setzen sich aus den Strafbefehlsgebühren und der Strafe an sich zusammen. Die Strafbefehlsgebühr deckt dabei den Aufwand im Vorverfahren ab, weshalb die Höhe der Gebühr vom Einzelfall abhängig ist. In der Regel ist sie jedoch umso kostenintensiver, je höher die im Strafbefehl ausgesprochen Strafe ausfällt. Auch der Kanton, indem die Strafe ausgesprochen wird, kann sich auf die Höhe der Kosten des Strafbefehls nach einer Verzeigung auswirken.
Im Kanton Aargau beispielsweise, beträgt die Strafbefehlsgebühr einer Busse in der Regel zwischen 300 und 700 Franken. Bei Geldstrafen zwischen 600 und 1.400 Franken. Freiheitsstrafen sind nochmals etwas teurer. (Stand Juni 2020) Zu diesen Strafbefehlsgebühren addiert sich die eigentliche Strafe aufgrund der Verzeigung. Auch die Höhe dieser Kosten ist von den Umständen des Falls abhängig. Der Strafrahmen im Kanton Aargau reicht zum Beispiel von einer Busse (z.B. 250 Franken bei Nichtbeachten eines Lichtsignals) bis hin zu einer Maximalstrafe von sechs Monaten Freiheitsstrafe.
Einspruch erheben nach Verzeigung
Nachdem der Strafbefehl ausgesprochen wurde, erhält der Betroffene einen eingeschriebenen Brief mit dem Strafbefehl per Post. Zehn Tage nach dem Erhalt des Briefs ist es möglich, eine Einsprache dagegen einzulegen. Danach gibt es keine Möglichkeit mehr, eine gerichtliche Überprüfung zu veranlassen. In der Regel erhalten die Beschuldigten erst nach einer Einsprache die Gelegenheit, an sich zum Vorwurf zu äussern.
Probleme beim Einspruch
Der Beschuldigte muss allerdings nicht von der Strafbehörde darüber informiert werden, wann oder ob er mit einem Strafbefehl zu rechnen hat. Oftmals liegen jedoch Monate zwischen der Polizeikontrolle und dem Einlangen des eingeschriebenen Briefs. Kann das Einschreiben dabei nicht direkt aushändigen, hinterlässt sie eine Abholungseinladung mit einer Abholfrist von sieben Tagen. Nach Ablauf dieser Frist wird der Brief retourniert. Im Bericht der Polizei wurde allerdings dokumentiert, dass dem Beschuldigten die Verzeigung eröffnet wurde und daher mit der Zustellung des Strafbefehls zu rechnen war. Das bedeutet, dass es sein kann, dass die Einsprachefrist ohne die tatsächliche Kenntnis darüber zu laufen beginnt. Im schlimmsten Fall muss der Betroffene eine Strafe akzeptieren, ohne je die Möglichkeit gehabt zu haben, sich dagegen zu wehren.
Diese Zustellfiktion gilt aber nicht völlig einschränkungslos: Das Bundesgericht geht je nach Einzelfall von einer maximalen Dauer zwischen sechs Monaten und einem Jahr aus, in welcher mit der Zustellung eines Strafbefehls zu rechnen ist. Danach darf diese Regel nicht mehr zur Anwendung kommen. Daher gilt: Wurde von der Polizei eine Rapporterstattung oder Verzeigung angedroht, sollte sich der Betroffene darum bemühen, dass die eingeschriebene Post jederzeit empfangen werden kann. Wenn ein Strafbefehl einlangt und der Beschuldigte damit nicht einverstanden ist, sollten er so schnell wie möglich einen Anwalt konsultieren.
So kann ein Anwalt beim Thema Verzeigung helfen
Wenn Sie aufgrund eines angeblichen Verstosses gegen die gesetzlichen Vorgaben des Schweizerischen Verkehrsrechts eine Verzeigung erhalten, so kann es sinnvoll sein, sich direkt an einen Anwalt zu wenden. Insbesondere dann, wenn Sie sich zu unrecht beschuldigt fühlen und gravierende Strafen im Raum stehen. Da die Zeitspanne, in der Sie Einspruch gegen die Verzeigung einlegen können, sehr eingeschränkt ist, ist es umso wichtiger, rasch Schritte zu setzen. Ein Rechtsanwalt kann Sie dabei nicht nur beraten, wie Sie am besten vorgehen sollen, sondern auch beim Einreichen des Einspruchs behilflich sein. Auch wenn Sie sonstige Probleme rund um die Verzeigung haben, beispielsweise Sie keinen eingeschriebenen Brief erhalten bzw. erst viel zu spät, sollten Sie sich an einen kompetenten Fachmann wenden.
FAQ: Verzeigung
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